In Bewegung
Das Künstlerduo Ramacher & Einfalt ist ständig in Bewegung. Nicht nur, dass sich da zwei gefunden haben, um etwas gemeinsam zu tun, was sie einzeln anscheinend nicht so tun könnten, wie sie sich das jeder für sich so ausmalt. Sondern die zwei erkunden unaufhörlich die Oberflächen ihrer Zeit. So rühren sie ans Postmoderne. Obwohl der Titel einer ihrer wichtigen Arbeiten – ein Zyklus aus 16 großformatigen Bildern – „Die postapokalyptische Reise“ lautet, so wundert man sich als Betrachter doch, wie schön und wie so gar nicht schrecklich eine solche Zeit nach einer Apokalypse ausschauen kann.
Wahrscheinlich ist eine solche Irritation gewollt. Wissen die beiden doch zu gut, wie tief und abgründig allein die Oberflächen heute sein können; das „Tiefe“ hingegen lauert nicht selten nur kurz darunter; die Perspektiven und Wahrnehmungen verschieben sich. Gleichzeitig ahnen die beiden vielleicht auch, wie stumpf die üblichen Drohungen mit Untergängen heute sein können. Wenn diese ständig beschworen werden und dräuen, verlieren sie ihre Schrecken. Die Habituation schützt uns ja glücklicherweise vor den Überreizungen.
Doch trotz solcher Spielereien mit Inhalten und Bezeichnungen, erstaunen die Bilder aus dieser Reihe doch nachhaltig. Da erblicken wir Szenen, die uns irgendwie bekannt und als schon vergangen anmuten; Archetypen gleich erstehen Figuren wie aus Mythen und Märchen. Auch die Natur - etwa die Alpenidyllen a la Ganghofer – erstarrt im Dekor, in einer Kulisse für etwas, was sich davor abspielt. Und die Bildzitate aus der europäischen Kunstgeschichte wehen uns an und setzen uns in Erwartung. Das Spiel kann beginnen. Doch da geschieht nichts.
Die Bilder bereiten lediglich vor. Sie sind die Reize, die Reaktionen obliegen uns, den Betrachtern. Viele bildenden Künstler heute wissen um solche psychologischen Gegebenheiten bei der Wirkung von Bildern. Aber nur wenige spielen so souverän damit wie Ramacher & Einfalt. Ständig sind sie sich des Anspruchsniveaus bewusst, das da aufgebaut und unablässig wieder zurückgenommen wird. Im „teasing“ des Betrachters liegt ihr Witz und ihr Anliegen. So werden ihre Versatzstücke des Zitierens, wie etwa der röhrende Hirsch, der deutsche Wald, das Panorama der Alpen, dem Betrachter förmlich aufgedrängt; an ihm liegt es, diese beiseite zu schieben und sich im Dickicht des Geschehens Schneisen zu schlagen, um selber weiter zu schauen. Immerhin bekommt der Betrachter der „postapokalyptischen Reise“ eine Ahnung von dem, was ist und was sein könnte.
Ernster wird die Kunst von Ramacher & Einfalt, wenn man sich deren „Freud“ betrachtet. Zum einen sieht man ein Portrait eines Freud in einem großbürgerlichen und großimperialen Ambiente von Wien um die Jahrhundertwende, wie man es nicht so oft gewohnt ist. Kennt man doch vom Begründer der Psychoanalyse eher Photos, die ihn allein, mit Tochter, Hund, in der Natur, mit Kollegen zeigt. Das „Freud“- Bild von Ramacher & Einfalt zeigt dagegen einen Freud, wie er sich selbst gerne gesehen, oder erträumt hätte oder erträumt hat: Als einen soignierten, geehrten und voll geachteten Bürger seiner Zeit.
In Wirklichkeit war aber Sigmund Freud im Wien seiner Zeit immer auch der Außenseiter, nicht zuletzt deshalb, wie er selbst am besten wusste, weil er Jude war. Er, der das zwanzigste Jahrhundert nachhaltiger als fast alle anderen Großen geformt hat, musste erleben, dass er von seinen Zeitgenossen im Tiefsten gemieden wurde; weder erhielt er eine ordentliche Professur, noch war er je ein akzeptiertes Mitglied der Klasse und der Kaste, der er eigentlich angehörte. Die Ressentiments des Wieners allem anderen gegenüber sitzt tief und ist sehr zählebig.
Das Portrait von Ramacher & Einfalt erscheint da wie eine späte und gerechte Wiedergutmachung. Und – trotz der augenzwinkernden Bronzeappliken an den Seiten, die ein wenig an Wiener Jugendstilskulpturen um die Jahrhundertwende wie die von Brahms und Bruckner erinnern – fast gänzlich ohne Ironie.
Am überzeugendsten in der Aussage und am dichtesten in der Gestalt ist Ramacher & Einfalt´s Installation aus Öl- und Acrylgemälde, Schlagmetall, Vorsatzstück, Metallapplike „Mit leichtem Gepäck entstiegen wir dem Luftschiff“ (sign. 2000). Hier wird eine Aussage sichtbar nachvollziehbar, die sich jenseits aller Postvirtualität bewegt und berührt. Das ständige Unterwegssein des modernen Menschen spiegelt sich einerseits im Ausweglosen und gleichzeitig in den Schimären von möglichen Gestaden und Anlegestellen. Aller Ballast ist abgeworfen oder entschwindet mit Hilfe von Engeln in die Luft; die beiden Wanderer befinden sich in lichten Höhen und an Abgründen; dort starren sie regungslos ins Weite. Einsamkeit pur. Ein Sils-Maria 2000.
Die Adler sind gestrandet. Im Niemandsland, oberhalb des Üblichen – bei Ramacher & Einfalt heißt das: oberhalb der Berggipfel und Wolkenmeere. Die Reste ihrer benutzten Fahrzeuge picken am Rand des Gezeichneten und Erzählten. Erinnerungszeichen des Unterwegsseins, der unablässigen Bewegungen einer neuen Zeitrechnung. Das Memento Mori in der Form eines Vorsatzbildes verstärkt die Aussage einer langen Reise in die Dämmerung. Ob das darauf gemalte „HE L“ die Hölle (hell) meint oder aber das „He(i)l“ – oder was ganz anderes, es ist so offen und anregend und auffordernd wie das Ganze. Die Antworten liegen davor.
"Traum Bild Deutung" Österreichische Kunst - Schloß Cappenberg 2000
Wahrscheinlich ist eine solche Irritation gewollt. Wissen die beiden doch zu gut, wie tief und abgründig allein die Oberflächen heute sein können; das „Tiefe“ hingegen lauert nicht selten nur kurz darunter; die Perspektiven und Wahrnehmungen verschieben sich. Gleichzeitig ahnen die beiden vielleicht auch, wie stumpf die üblichen Drohungen mit Untergängen heute sein können. Wenn diese ständig beschworen werden und dräuen, verlieren sie ihre Schrecken. Die Habituation schützt uns ja glücklicherweise vor den Überreizungen.
Doch trotz solcher Spielereien mit Inhalten und Bezeichnungen, erstaunen die Bilder aus dieser Reihe doch nachhaltig. Da erblicken wir Szenen, die uns irgendwie bekannt und als schon vergangen anmuten; Archetypen gleich erstehen Figuren wie aus Mythen und Märchen. Auch die Natur - etwa die Alpenidyllen a la Ganghofer – erstarrt im Dekor, in einer Kulisse für etwas, was sich davor abspielt. Und die Bildzitate aus der europäischen Kunstgeschichte wehen uns an und setzen uns in Erwartung. Das Spiel kann beginnen. Doch da geschieht nichts.
Die Bilder bereiten lediglich vor. Sie sind die Reize, die Reaktionen obliegen uns, den Betrachtern. Viele bildenden Künstler heute wissen um solche psychologischen Gegebenheiten bei der Wirkung von Bildern. Aber nur wenige spielen so souverän damit wie Ramacher & Einfalt. Ständig sind sie sich des Anspruchsniveaus bewusst, das da aufgebaut und unablässig wieder zurückgenommen wird. Im „teasing“ des Betrachters liegt ihr Witz und ihr Anliegen. So werden ihre Versatzstücke des Zitierens, wie etwa der röhrende Hirsch, der deutsche Wald, das Panorama der Alpen, dem Betrachter förmlich aufgedrängt; an ihm liegt es, diese beiseite zu schieben und sich im Dickicht des Geschehens Schneisen zu schlagen, um selber weiter zu schauen. Immerhin bekommt der Betrachter der „postapokalyptischen Reise“ eine Ahnung von dem, was ist und was sein könnte.
Ernster wird die Kunst von Ramacher & Einfalt, wenn man sich deren „Freud“ betrachtet. Zum einen sieht man ein Portrait eines Freud in einem großbürgerlichen und großimperialen Ambiente von Wien um die Jahrhundertwende, wie man es nicht so oft gewohnt ist. Kennt man doch vom Begründer der Psychoanalyse eher Photos, die ihn allein, mit Tochter, Hund, in der Natur, mit Kollegen zeigt. Das „Freud“- Bild von Ramacher & Einfalt zeigt dagegen einen Freud, wie er sich selbst gerne gesehen, oder erträumt hätte oder erträumt hat: Als einen soignierten, geehrten und voll geachteten Bürger seiner Zeit.
In Wirklichkeit war aber Sigmund Freud im Wien seiner Zeit immer auch der Außenseiter, nicht zuletzt deshalb, wie er selbst am besten wusste, weil er Jude war. Er, der das zwanzigste Jahrhundert nachhaltiger als fast alle anderen Großen geformt hat, musste erleben, dass er von seinen Zeitgenossen im Tiefsten gemieden wurde; weder erhielt er eine ordentliche Professur, noch war er je ein akzeptiertes Mitglied der Klasse und der Kaste, der er eigentlich angehörte. Die Ressentiments des Wieners allem anderen gegenüber sitzt tief und ist sehr zählebig.
Das Portrait von Ramacher & Einfalt erscheint da wie eine späte und gerechte Wiedergutmachung. Und – trotz der augenzwinkernden Bronzeappliken an den Seiten, die ein wenig an Wiener Jugendstilskulpturen um die Jahrhundertwende wie die von Brahms und Bruckner erinnern – fast gänzlich ohne Ironie.
Am überzeugendsten in der Aussage und am dichtesten in der Gestalt ist Ramacher & Einfalt´s Installation aus Öl- und Acrylgemälde, Schlagmetall, Vorsatzstück, Metallapplike „Mit leichtem Gepäck entstiegen wir dem Luftschiff“ (sign. 2000). Hier wird eine Aussage sichtbar nachvollziehbar, die sich jenseits aller Postvirtualität bewegt und berührt. Das ständige Unterwegssein des modernen Menschen spiegelt sich einerseits im Ausweglosen und gleichzeitig in den Schimären von möglichen Gestaden und Anlegestellen. Aller Ballast ist abgeworfen oder entschwindet mit Hilfe von Engeln in die Luft; die beiden Wanderer befinden sich in lichten Höhen und an Abgründen; dort starren sie regungslos ins Weite. Einsamkeit pur. Ein Sils-Maria 2000.
Die Adler sind gestrandet. Im Niemandsland, oberhalb des Üblichen – bei Ramacher & Einfalt heißt das: oberhalb der Berggipfel und Wolkenmeere. Die Reste ihrer benutzten Fahrzeuge picken am Rand des Gezeichneten und Erzählten. Erinnerungszeichen des Unterwegsseins, der unablässigen Bewegungen einer neuen Zeitrechnung. Das Memento Mori in der Form eines Vorsatzbildes verstärkt die Aussage einer langen Reise in die Dämmerung. Ob das darauf gemalte „HE L“ die Hölle (hell) meint oder aber das „He(i)l“ – oder was ganz anderes, es ist so offen und anregend und auffordernd wie das Ganze. Die Antworten liegen davor.
"Traum Bild Deutung" Österreichische Kunst - Schloß Cappenberg 2000