Philosophische Gedankenschleifen
...UND ANDERE MERKWÜRDIGKEITEN DES SEINS
Allein der Titel provoziert bereits die Suche nach Aufklärung, wenngleich er ebenso sofort ausschließt, dass diese dem Betrachter der Kunstwerke auch gegeben wird. Eine eindeutige Positionierung oder gar Erklärung darf man bei Ramacher & Einfalt nicht erwarten. Wohl aber einen Erkenntnisgewinn, der sich einstellt, wenn man sich auf die Arbeiten des Künstlerduos einlässt. Zugegeben kein einfaches Unterfangen, fordern sie uns doch heraus, bekanntes Terrain zu verlassen oder greifen dort ein, wo ihnen die Irritation des Rezipienten opportun, um nicht zu sagen notwendig erscheint - also permanent. Schonungslos zeigen sie solcherart das prekäre Verhältnis zwischen Wahrnehmung, Wirklichkeit und Interpretation derselben auf. „Nur ja nicht aus dem Rahmen fallen“ - diese Prämisse einzuhalten kam ihnen eigentlich nie in den Sinn. Und das nicht nur formal, sondern ganz gezielt auch inhaltlich. Dabei sind sie nie radikal, jedoch umso subtiler, kritischer und voll humorvoller Ironie. Ihre Kunst bewegt sich auf den ersten Blick in den bekannten Kategorien wie Skulptur, Malerei, Installation und Performance und verschließt sich unseren eingelernten Ordnungssystemen sympathischerweise nicht vollkommen. Jedoch nur um, und das zumeist ohne Vorwarnung, abrupt aus diesem herauszukippen. Dabei überschreitet sowohl der Betrachter das Feld seiner Einordnungssysteme, wenn die Aussage der Arbeiten ihn plötzlich und unvermittelt in seiner Erkenntnis trifft, oder er in seiner ruhigen Beschaulichkeit gestört wird, als auch die Künstler selbst. Wobei in ihrem Fall das Kippen eher einem Sprengen gleich kommt. Dennoch ist es wohltuend, dass sie auch dann jegliche moralische Positionierung vermeiden, uns jedoch damit erst recht auf unsere eigene Urteilskraft zurückwerfen. An dieser Schnittstelle zwischen Wahrnehmung und Irritation entsteht die entscheidende Frage innerhalb der sich uns aufdrängenden philosophischen Gedankenschleifen: Darf Kunst zum Denken anregen?
Gilles Deleuze hat wohl am auffälligsten von der Parallelität zwischen Kunst und Philosophie gesprochen. Beide vereint der kreative Schaffensprozess. Wenngleich er unterscheidet, dass die Kunst Affekte generiert und die Philosophie ebenso wie die Kunst erfindet, schafft und zeigt, aber anstelle der Affekte, Begriffe entwickelt. Richard Heinrich hat in seinem Vortrag Zur Rivalität von Kunst und Philosophie diesen Gedanken weiterverfolgt, jedoch zur Diskussion gestellt, dass diese Unterscheidung nicht klar nachzuvollziehen ist, da man zuvor klären müsste, was Affekte und Begriffe sind. Das dies eine wissenschaftliche Instanz klären kann, stellt er allerdings in Abrede und meint vielmehr, dass sich dies in der Beziehung von Kunst und Philosophie auflöst und zwar ganz konkret durch deren Interaktion. Womit wir bei einer weiteren Gedankeschleife sind: Der Künstler denkt und philosophiert während er arbeitet.
Der weitere theoretische Exkurs Heinrichs zur Konkretisierung des Terminus „Begriff“ liest sich wie eine Bildbeschreibung des Werkzyklus Nestkonstrukte. Dieser besteht aus Leinwandbildern, Objekten, Videos und Musik und bildet in seiner Gesamtheit ein multimediales Raumgefüge. Der Raum wird durch die Installation zu einem Rückzugsort in eine andere Dimension, in der die Kraft des Unbewussten, Intuitiven sowie die emotionale Tiefe verborgen liegt, auf welcher sich die geistigen und konkreten Dinge entwickeln k¬önnen. (Ramacher & Einfalt). Das klingt sehr theoretisch, ist aber auch durchaus so gemeint.(Vgl. dazu Gedankenschleife 2) Die Bilder und Objekte der Serie Nestkonstrukte sind Bündelungen dualer Energiefelder. Einzelteile, die in einem formalen Zentrum einen intimen Raum erschaffen. Francis Bacon antwortete einmal auf die Frage nach der Vorlage seiner Bilder, dass er im Grund genommen darauf abzielt, ein Bild seines Nervensystem zu schaffen. Ramacher & Einfalt setzen dort an, in dem sie sowohl im Bild als auch im Objekt die Komplexität dieser Ereignisse in unserem Unterbewusstsein darstellen. Man kann dies als Beschreibung eines Empfindungszustandes bezeichnen oder auch als die Möglichkeit in den Mittelpunkt unseres Denkens vorzudringen. In diesem Fall ist das Transportmittel unser Auge, das in die unendlichen Weiten der gemalten Gedankenkonstrukte eintaucht, die zuweilen einen sensationellen Tiefenraum auf der Leinwand entwickeln. Dass Ramacher & Einfalt uns dazu auch reale Transportmittel wie Fantasiebeschleuniger oder Fluggeräte anbieten ist eine logische Folge ihrer konzeptuellen Überlegungen. Geht doch das Denken zuweilen mit unendlicher Geschwindigkeit vor sich und braucht Anreize von außen, wie dies etwa die Klänge des Fantasiebeschleunigers anbieten. Es ist eine Innenschau die Ramacher & Einfalt in ihren Arbeiten in der für sie typischen Bildsprache darstellen. Die Denkprozesse oszillieren zwischen einem statischen Zustand und der Bewegung, die aus dem sicheren Konstrukt des Nestes herausführt. Einige dieser Stränge die nach außen führen verdichten sich zuweilen zu dreidimensionalen Gedankensträngen im Raum. In ihrer Gesamtheit bilden die Gedanken im Nest eine Art Equilibrium. Doch innerhalb dieses Gleichgewichtes bündeln sich manche Begriffe und schieben sich mit schier unendlicher Geschwindigkeit in den Vordergrund - und als würde plötzlich ein Ereignis eintreten - wird alles auf seltsame Art durcheinander gewirbelt. Konkrete Gedanken werden wieder verworfen und lösen sich auf. Bildtitel wie Nestsprung oder Blaue Gedankenschleife durchdringt weißes Vorurteil sprechen darüber hinaus auch weitere Aufträge an unser Denken an. Das Ramacher & Einfalt sich in ihren Bildern auch selbst darstellen ist einerseits ihrem Werk immanent, jedoch auch ein Hinweis darauf, dass Gedankenkonstrukte zwar in Wechselwirkung mit Anreizen von außen entstehen, jedoch stets auch an die Person selbst gebunden sind. Das Nest verstehen die Künstler als philosophisches Konstrukt und als Basis eines geistigen Freiraumes. Ob dieser zugleich eine globale Veränderung auslöst sei dahingestellt. Der gedankliche Aufenthalt in den Netzkonstrukten durch die Beschäftigung mit ihrer Kunst generiert beim Betrachter jedoch mit Garantie so manchen Gedankensprung. In jedem Fall zeigen uns Ramacher & Einfalt, dass Vieles in unserem Denken nicht nur von begrifflicher Art ist, sondern auch bildlich, imaginativ und zuweilen recht bewegt. So schließen die beiden Künstler mit dem Zyklus Nestkonstrukte an die zuvor angesprochene Interaktion von Begriff und Affekt an, in dem sie diese schlicht und einfach darstellen. D.h. der Künstler denkt nicht nur beim Arbeiten, er hat auch die Möglichkeit das Denken zu visualisieren und das jenseits aller naturwissenschaftlichen Parameter, unmittelbar, komplex und unglaublich sinnlich. Darüber hinaus wird durch Ramacher & Einfalt auch unmissverständlich bestätigt:
Wir denken in Farbe.
Aus den Nestkonstrukten entwickelte sich die darauf folgende Werkserie der
Formung und Schichtung. Das Denken bewegt sich weiter, manches legen wir ab. Wie in einem Ordnungssystem schichten wir Denkakt auf Denkakt. Erinnerungen blitzen auf, werden als Bilder visualisiert, schemenhaft und gar nicht mehr so farbig. So als wollten wir mit unseren Erinnerungen gar nichts mehr zu tun haben. Vielleicht weil daran zu starke Emotionen gebunden sind? Interessanterweise geben die Künstler in dieser Serie der Dynamik und der Farbe weit aus weniger Raum. Die Bilder funktionieren eher wie eine Rückschau. Die Auseinandersetzung damit generiert Duplikate, von dem, was wir bereits einmal erlebt haben. Die Szenen die aus dem Bild auftauchen haben dabei stets auch etwas von einem Traum, in dem Bilder aufblitzen, sich dann jedoch wieder in der Ferne verlieren und bekannte Motive sich mit neuen Elementen im Bild verbinden. Was ist nun Real? Oder ist alles nur ein Konstrukt unserer Phantasie? Das Ramacher & Einfalt auch hier das irritierende Spiel mit dem Betrachter nicht lassen können ist gewiss. Oder denken Sie es gibt zwei Äste in der Natur, die exakt gleich sind?
Die ironisch, humorvolle Selbstdarstellung in Lederhosen bestückt mit skurrilen Accessoires, und das Posieren in aberwitzigen Situationen ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer bildlichen wie auch performativen Arbeit. Die Künstler erzählen uns mit ihren Installationen Geschichten voll Poesie und Ironie. Doch die fabulöse, absurde Erzählung wird bei näherer Betrachtung bald zur komplexen Inhaltlichkeit, die bewusst irritiert oder unsere Phantasie im wahrsten Sinne zu beschleunigen versucht. Ihre Transportmittel, die uns zur Reise einladen, erinnern an Leonardos technische Konstruktionen, deren Ernst jedoch durch die charakteristische humorvolle, poetische Formensprache des Duos aufgehoben wird. Schiffe, das goldene Schlauchboot oder die Fluggeräte bieten die Möglichkeiten sich in anderen Seinszuständen zu bewegen. Das dies zuweilen schwer fällt, zeigt, dass die Einfalt-Figur in der Millstätter Installation bereits aufbruchbereit am Schlauchboot hockt, während die lebensgroße Figur von Ramacher noch immer auf der Parkbank verweilt. Doch wie um noch mehr zur Verunsicherung beizutragen, wird zuweilen die Realität so erhöht, dass man erst recht daran zweifelt. Wie beim Porträt eines Popkorns. Kann es das sein was man da sieht bzw. was der Titel uns für die Lesbarkeit der Arbeit nahelegt? So steht das Popkorn zwischen reiner Lust an der Form (Ramacher) und der Verbindung zum Gedankenkonstrukt, in dem das Aufplatzen des Korns ebenso für die geistige Explosion stehen kann, die Prozesse in Gang bringt (Einfalt). Ebenso greifen sie mit ihren Performances ganz bewusst in Handlungen, Traditionen oder Rituale unseres Alltags ein. Hier zeigt sich einmal mehr, dass die Kunst stets die Realität ins Bild holt, sie trotz der Transformation in ein anderes Medium direkt und effizient auf den Punkt bringen kann und die Leerstellen in unserem gesellschaftspolitischen System aufzeigt. Und das in einem bewussten Grenzgang zwischen Ironie, Spontaneität und Kritik an der Gesellschaft. Wie der Narr am Hof nehmen sich die Künstler jene Freiheit heraus, die vielleicht derzeit nur ihnen zugestanden wird: Die Dinge beim Namen zu nennen.
Ob 1999 im Kölner Kunstverein (Das Huhn und der Krieg), 2003 in den Bunkern des 2. Weltkriegs unter dem Berliner Alexanderplatz (Paradies), oder 2008 mit der Performance (Das Goldene Huhn) in der Galerie der Stadt Salzburg und im Schlosspark Mirabell, gemeinsam mit Zen-Mönchen der Soto-Schule, oder aktuell in Gmunden (Denkmalenthüllung) und der Performance (Fantasiebeschleunigung) im Kunsthistorischen Museum, Wien – die Handlung beginnt sehr harmlos um dann umso überraschender ins Gegenteil umzukippen; im Spiel mit den Mechanismen unserer Zeit. Und so kommen wir letztlich zum Schluss: Ramacher & Einfalt fragen nie ob sie dürfen, sondern fordern uns auf, uns mit den Merkwürdigkeiten unseres Seins auseinanderzusetzen, direkt oder mit Hilfe der von ihnen angebotenen philosophischen Gedankenschleifen.
Katalog Ramacher & Einfalt
Philosophische Gedankenschleifen und andere Merkwürdigkeiten des Seins 2010
Allein der Titel provoziert bereits die Suche nach Aufklärung, wenngleich er ebenso sofort ausschließt, dass diese dem Betrachter der Kunstwerke auch gegeben wird. Eine eindeutige Positionierung oder gar Erklärung darf man bei Ramacher & Einfalt nicht erwarten. Wohl aber einen Erkenntnisgewinn, der sich einstellt, wenn man sich auf die Arbeiten des Künstlerduos einlässt. Zugegeben kein einfaches Unterfangen, fordern sie uns doch heraus, bekanntes Terrain zu verlassen oder greifen dort ein, wo ihnen die Irritation des Rezipienten opportun, um nicht zu sagen notwendig erscheint - also permanent. Schonungslos zeigen sie solcherart das prekäre Verhältnis zwischen Wahrnehmung, Wirklichkeit und Interpretation derselben auf. „Nur ja nicht aus dem Rahmen fallen“ - diese Prämisse einzuhalten kam ihnen eigentlich nie in den Sinn. Und das nicht nur formal, sondern ganz gezielt auch inhaltlich. Dabei sind sie nie radikal, jedoch umso subtiler, kritischer und voll humorvoller Ironie. Ihre Kunst bewegt sich auf den ersten Blick in den bekannten Kategorien wie Skulptur, Malerei, Installation und Performance und verschließt sich unseren eingelernten Ordnungssystemen sympathischerweise nicht vollkommen. Jedoch nur um, und das zumeist ohne Vorwarnung, abrupt aus diesem herauszukippen. Dabei überschreitet sowohl der Betrachter das Feld seiner Einordnungssysteme, wenn die Aussage der Arbeiten ihn plötzlich und unvermittelt in seiner Erkenntnis trifft, oder er in seiner ruhigen Beschaulichkeit gestört wird, als auch die Künstler selbst. Wobei in ihrem Fall das Kippen eher einem Sprengen gleich kommt. Dennoch ist es wohltuend, dass sie auch dann jegliche moralische Positionierung vermeiden, uns jedoch damit erst recht auf unsere eigene Urteilskraft zurückwerfen. An dieser Schnittstelle zwischen Wahrnehmung und Irritation entsteht die entscheidende Frage innerhalb der sich uns aufdrängenden philosophischen Gedankenschleifen: Darf Kunst zum Denken anregen?
Gilles Deleuze hat wohl am auffälligsten von der Parallelität zwischen Kunst und Philosophie gesprochen. Beide vereint der kreative Schaffensprozess. Wenngleich er unterscheidet, dass die Kunst Affekte generiert und die Philosophie ebenso wie die Kunst erfindet, schafft und zeigt, aber anstelle der Affekte, Begriffe entwickelt. Richard Heinrich hat in seinem Vortrag Zur Rivalität von Kunst und Philosophie diesen Gedanken weiterverfolgt, jedoch zur Diskussion gestellt, dass diese Unterscheidung nicht klar nachzuvollziehen ist, da man zuvor klären müsste, was Affekte und Begriffe sind. Das dies eine wissenschaftliche Instanz klären kann, stellt er allerdings in Abrede und meint vielmehr, dass sich dies in der Beziehung von Kunst und Philosophie auflöst und zwar ganz konkret durch deren Interaktion. Womit wir bei einer weiteren Gedankeschleife sind: Der Künstler denkt und philosophiert während er arbeitet.
Der weitere theoretische Exkurs Heinrichs zur Konkretisierung des Terminus „Begriff“ liest sich wie eine Bildbeschreibung des Werkzyklus Nestkonstrukte. Dieser besteht aus Leinwandbildern, Objekten, Videos und Musik und bildet in seiner Gesamtheit ein multimediales Raumgefüge. Der Raum wird durch die Installation zu einem Rückzugsort in eine andere Dimension, in der die Kraft des Unbewussten, Intuitiven sowie die emotionale Tiefe verborgen liegt, auf welcher sich die geistigen und konkreten Dinge entwickeln k¬önnen. (Ramacher & Einfalt). Das klingt sehr theoretisch, ist aber auch durchaus so gemeint.(Vgl. dazu Gedankenschleife 2) Die Bilder und Objekte der Serie Nestkonstrukte sind Bündelungen dualer Energiefelder. Einzelteile, die in einem formalen Zentrum einen intimen Raum erschaffen. Francis Bacon antwortete einmal auf die Frage nach der Vorlage seiner Bilder, dass er im Grund genommen darauf abzielt, ein Bild seines Nervensystem zu schaffen. Ramacher & Einfalt setzen dort an, in dem sie sowohl im Bild als auch im Objekt die Komplexität dieser Ereignisse in unserem Unterbewusstsein darstellen. Man kann dies als Beschreibung eines Empfindungszustandes bezeichnen oder auch als die Möglichkeit in den Mittelpunkt unseres Denkens vorzudringen. In diesem Fall ist das Transportmittel unser Auge, das in die unendlichen Weiten der gemalten Gedankenkonstrukte eintaucht, die zuweilen einen sensationellen Tiefenraum auf der Leinwand entwickeln. Dass Ramacher & Einfalt uns dazu auch reale Transportmittel wie Fantasiebeschleuniger oder Fluggeräte anbieten ist eine logische Folge ihrer konzeptuellen Überlegungen. Geht doch das Denken zuweilen mit unendlicher Geschwindigkeit vor sich und braucht Anreize von außen, wie dies etwa die Klänge des Fantasiebeschleunigers anbieten. Es ist eine Innenschau die Ramacher & Einfalt in ihren Arbeiten in der für sie typischen Bildsprache darstellen. Die Denkprozesse oszillieren zwischen einem statischen Zustand und der Bewegung, die aus dem sicheren Konstrukt des Nestes herausführt. Einige dieser Stränge die nach außen führen verdichten sich zuweilen zu dreidimensionalen Gedankensträngen im Raum. In ihrer Gesamtheit bilden die Gedanken im Nest eine Art Equilibrium. Doch innerhalb dieses Gleichgewichtes bündeln sich manche Begriffe und schieben sich mit schier unendlicher Geschwindigkeit in den Vordergrund - und als würde plötzlich ein Ereignis eintreten - wird alles auf seltsame Art durcheinander gewirbelt. Konkrete Gedanken werden wieder verworfen und lösen sich auf. Bildtitel wie Nestsprung oder Blaue Gedankenschleife durchdringt weißes Vorurteil sprechen darüber hinaus auch weitere Aufträge an unser Denken an. Das Ramacher & Einfalt sich in ihren Bildern auch selbst darstellen ist einerseits ihrem Werk immanent, jedoch auch ein Hinweis darauf, dass Gedankenkonstrukte zwar in Wechselwirkung mit Anreizen von außen entstehen, jedoch stets auch an die Person selbst gebunden sind. Das Nest verstehen die Künstler als philosophisches Konstrukt und als Basis eines geistigen Freiraumes. Ob dieser zugleich eine globale Veränderung auslöst sei dahingestellt. Der gedankliche Aufenthalt in den Netzkonstrukten durch die Beschäftigung mit ihrer Kunst generiert beim Betrachter jedoch mit Garantie so manchen Gedankensprung. In jedem Fall zeigen uns Ramacher & Einfalt, dass Vieles in unserem Denken nicht nur von begrifflicher Art ist, sondern auch bildlich, imaginativ und zuweilen recht bewegt. So schließen die beiden Künstler mit dem Zyklus Nestkonstrukte an die zuvor angesprochene Interaktion von Begriff und Affekt an, in dem sie diese schlicht und einfach darstellen. D.h. der Künstler denkt nicht nur beim Arbeiten, er hat auch die Möglichkeit das Denken zu visualisieren und das jenseits aller naturwissenschaftlichen Parameter, unmittelbar, komplex und unglaublich sinnlich. Darüber hinaus wird durch Ramacher & Einfalt auch unmissverständlich bestätigt:
Wir denken in Farbe.
Aus den Nestkonstrukten entwickelte sich die darauf folgende Werkserie der
Formung und Schichtung. Das Denken bewegt sich weiter, manches legen wir ab. Wie in einem Ordnungssystem schichten wir Denkakt auf Denkakt. Erinnerungen blitzen auf, werden als Bilder visualisiert, schemenhaft und gar nicht mehr so farbig. So als wollten wir mit unseren Erinnerungen gar nichts mehr zu tun haben. Vielleicht weil daran zu starke Emotionen gebunden sind? Interessanterweise geben die Künstler in dieser Serie der Dynamik und der Farbe weit aus weniger Raum. Die Bilder funktionieren eher wie eine Rückschau. Die Auseinandersetzung damit generiert Duplikate, von dem, was wir bereits einmal erlebt haben. Die Szenen die aus dem Bild auftauchen haben dabei stets auch etwas von einem Traum, in dem Bilder aufblitzen, sich dann jedoch wieder in der Ferne verlieren und bekannte Motive sich mit neuen Elementen im Bild verbinden. Was ist nun Real? Oder ist alles nur ein Konstrukt unserer Phantasie? Das Ramacher & Einfalt auch hier das irritierende Spiel mit dem Betrachter nicht lassen können ist gewiss. Oder denken Sie es gibt zwei Äste in der Natur, die exakt gleich sind?
Die ironisch, humorvolle Selbstdarstellung in Lederhosen bestückt mit skurrilen Accessoires, und das Posieren in aberwitzigen Situationen ist ein wesentlicher Bestandteil ihrer bildlichen wie auch performativen Arbeit. Die Künstler erzählen uns mit ihren Installationen Geschichten voll Poesie und Ironie. Doch die fabulöse, absurde Erzählung wird bei näherer Betrachtung bald zur komplexen Inhaltlichkeit, die bewusst irritiert oder unsere Phantasie im wahrsten Sinne zu beschleunigen versucht. Ihre Transportmittel, die uns zur Reise einladen, erinnern an Leonardos technische Konstruktionen, deren Ernst jedoch durch die charakteristische humorvolle, poetische Formensprache des Duos aufgehoben wird. Schiffe, das goldene Schlauchboot oder die Fluggeräte bieten die Möglichkeiten sich in anderen Seinszuständen zu bewegen. Das dies zuweilen schwer fällt, zeigt, dass die Einfalt-Figur in der Millstätter Installation bereits aufbruchbereit am Schlauchboot hockt, während die lebensgroße Figur von Ramacher noch immer auf der Parkbank verweilt. Doch wie um noch mehr zur Verunsicherung beizutragen, wird zuweilen die Realität so erhöht, dass man erst recht daran zweifelt. Wie beim Porträt eines Popkorns. Kann es das sein was man da sieht bzw. was der Titel uns für die Lesbarkeit der Arbeit nahelegt? So steht das Popkorn zwischen reiner Lust an der Form (Ramacher) und der Verbindung zum Gedankenkonstrukt, in dem das Aufplatzen des Korns ebenso für die geistige Explosion stehen kann, die Prozesse in Gang bringt (Einfalt). Ebenso greifen sie mit ihren Performances ganz bewusst in Handlungen, Traditionen oder Rituale unseres Alltags ein. Hier zeigt sich einmal mehr, dass die Kunst stets die Realität ins Bild holt, sie trotz der Transformation in ein anderes Medium direkt und effizient auf den Punkt bringen kann und die Leerstellen in unserem gesellschaftspolitischen System aufzeigt. Und das in einem bewussten Grenzgang zwischen Ironie, Spontaneität und Kritik an der Gesellschaft. Wie der Narr am Hof nehmen sich die Künstler jene Freiheit heraus, die vielleicht derzeit nur ihnen zugestanden wird: Die Dinge beim Namen zu nennen.
Ob 1999 im Kölner Kunstverein (Das Huhn und der Krieg), 2003 in den Bunkern des 2. Weltkriegs unter dem Berliner Alexanderplatz (Paradies), oder 2008 mit der Performance (Das Goldene Huhn) in der Galerie der Stadt Salzburg und im Schlosspark Mirabell, gemeinsam mit Zen-Mönchen der Soto-Schule, oder aktuell in Gmunden (Denkmalenthüllung) und der Performance (Fantasiebeschleunigung) im Kunsthistorischen Museum, Wien – die Handlung beginnt sehr harmlos um dann umso überraschender ins Gegenteil umzukippen; im Spiel mit den Mechanismen unserer Zeit. Und so kommen wir letztlich zum Schluss: Ramacher & Einfalt fragen nie ob sie dürfen, sondern fordern uns auf, uns mit den Merkwürdigkeiten unseres Seins auseinanderzusetzen, direkt oder mit Hilfe der von ihnen angebotenen philosophischen Gedankenschleifen.
Katalog Ramacher & Einfalt
Philosophische Gedankenschleifen und andere Merkwürdigkeiten des Seins 2010